Ein neuer Abschnitt
Es ist Ende September und ein besonderer Tag für mich. Noch bin ich nicht Jäger. Aber ich bin mit der Jagd aufgewachsen und sie hatte stets einen grossen Reiz für mich. Ich kann mich an so viele Ansitze erinnern. Ganz früher zusammen mit meinem Vater auf der Kanzel, dann die erste ganze Nacht auf dem Hochsitz, dann die ersten Jagden als Treiber und natürlich die vielen gemütlichen Stunden bei der Jagdhütte. Wie fest einen dies prägt, merkt man erst, wenn man älter wird.
Lange habe ich gezögert und mit mir gerungen. Soll ich die Jagdprüfung selber auch machen? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um den Jagdschein in Angriff zu nehmen? Die «Jagd» mit der Kamera ist durchaus reizvoll, vielseitig und zudem eine teilbare Freude. Denn wie kann man seine Erlebnisse besser erzählen, die Geschichten weitergeben, als wenn man ein Bild zeigen kann? Doch nun gilt’s. Ich habe mich entschieden und mich zur Ausbildung angemeldet. Das Studium ist seit einiger Zeit absolviert, ich hab Frau, Hund und Haus. Der Zeitpunkt scheint zu passen.
Die Ausbildung
Die Jagdausbildung mache ich in meinem Wohnkanton, in Schaffhausen. Die Schweiz kennt drei verschiedene Jagdformen, wovon die Revier- und die Patentjagd dominieren. Schaffhausen ist in 44 Reviere unterteilt und wird von ca. 300 Jägerinnen und Jägern bewirtschaftet.
Aber nicht nur gibt es in der Schweiz unterschiedliche Jagdformen, auch die Ausbildungen sind kantonal verschieden. In Schaffhausen beginnt es damit, dass man sich direkt zur Prüfung anmelden muss. Das Anmeldungsfenster ist auf Januar und Februar beschränkt. Die Prüfung findet dann aber erst im darauffolgenden Jahr statt. Im Verlauf des Jahres wird man an einer Vielzahl Kurstage auf die Prüfung und das Jägerleben vorbereitet. Parallel dazu macht man das «Grüne Jahr». Man sucht Anschluss in einem Revier und hilft dort ein Jahr lang mit bei Hege und Pflege, als Teiber auf Gesellschaftsjagden oder bei der Revierarbeit. So erhält man früh praktische Einblicke und ist schon mitten im Geschehen. Weitere Informationen findet ihr unten am Text im Link.
Nun, um den Kreis zu schliessen: Heute ist ein besonderer Tag für mich, denn ich habe Anschluss in einem Revier gefunden und darf hier mein «Grünes Jahr» erleben. Und heute sitze ich mit meiner Kamera zum ersten Mal in diesem Revier auf einer Kanzel und die Rehgeiss, welche ihr oben im Bild seht, ist mein erstes Stück Wild, das ich hier fotografieren konnte. Ich freue mich auf ein schönes und spannendes Jahr.
Erinnerungen verknüpfen
Es ist noch angenehm warm und eine leichte Jacke genügt. Vom Obmann habe ich den Tipp bekommen, auf welcher Kanzel ich ansitzen kann, um Rehe fotografieren zu können. Der Hochsitz steht an einer abgeschiedenen Lichtung am Rande des Reviers. Mein erster Ansitz im neuen Revier. Ich bin angespannt und etwas aufgeregt. Behutsam richte ich mich ein und lege Kamera und Fernglas bereit. Lange passiert nichts. Bin ich zu nervös, zu wenig ruhig oder habe ich einfach keine Geduld? Ich will nicht ohne Foto nach Hause. Es dauert.
Dann endlich. Ich höre Knacken im Wald, es kommt etwas auf mich zu. Dann wieder Stille. Da, links von mir zieht ein Reh aus dem Wald und kommt langsam auf mich zu. Plötzlich steht es still und hebt das Haupt. Ich drücke ab. Es sind viele Erinnerungen, die mit diesem Bild verbunden sind. Es ist ein Neubeginn.